“Sexy Beast” – Kritik

sexybeast2Autor: Leonhard Balk

„Ich lasse dich nicht glücklich sein, warum sollte ich?“

Der Brite Ray Winstone hat sich mit Filmen wie „Nil by Mouth“, „Departed – Unter Feinden” und „44 Inch Chest” eine Karriere um sein Image als knallharter Typ aufgebaut. Selten spielt er den Helden der am Ende des Films seine Geliebte erobert und sich friedlich irgendwo niederlässt. Umso überraschender ist es also, dass wir in „Sexy Beast“ Ray Winstone sonnenbadend in einer neongelben Speedo-Badehose vorfinden. Der Mime gibt hier den Ex-Safe-Knacker Gary ‘Gal’ Dove, der sich von dem Verbrecherleben in eine spanische Villa zurückgezogen hat. Gal hat es, im Gegensatz zu Winstones anderen Charakteren, tatsächlich bis zu seinem Happy End geschafft. Er hat etliche Male sein Leben aufs Spiel gesetzt, hat mehrere Jahre im Gefängnis verbracht, und darf jetzt in der Sonne liegen. Winstone spielt jetzt eine schon fast satirische Version seines normalen Film-Personas. Verschwitzt und sonnenverbrannt stolpert er um seinen Pool herum, in Aussehen und Verhalten weit entfernt von seinen Gangster-Rollen. Als in dann ein herabfallender Steinbrocken um ein Haar genau verfehlt und in das Wasser zu seinen Füßen fällt, ist der Moment sowohl komödiantisch als auch Unheil verkünden.

sexybeast1

So wie der Steinbrocken plötzlich in Gal’s Pool einschlägt und seine perfekten Herzmuster-Fliesen ruiniert, so taucht auch unverhofft eine Figur aus seiner Vergangenheit auf, um ihm sein wunderschönes neues Leben zu zerstören. Don ‘Malky’ Logan (Ben Kingsley) macht Gal in Spanien ausfindig um ihm einen wichtigen Job anzubieten. Die beiden kennen sich schon lange, müssten eigentlich alte Freunde sein, aber noch bevor Dons Flugzeug landet haben Gal und seine Frau schon schlimme Befürchtungen. Der Mob-Boss Don ist nämlich ein waschechter Psycho, der keine Wiedersage hören möchte. Er terrorisiert Gal und seine Freunde, treibt sie zum Rande der Verzweiflung und pinkelt auch noch neben den Toilettenrand. Schließlich bleibt Gal nichts anderes übrig als erneut in die korrupte Londoner Unterwelt zurückzukehren.

Obwohl Ray Winstone hier unumstritten die Hauptfigur gibt, könnte „Sexy Beast“ eigentlich in die „Ben-Kingsley-Show“ umbenannt werden. Kingsley, mittlerweile meilenweit von seinen Rollen in „Gandhi“ und „Schindlers Liste“ entfernt, gibt hier eine zu gleichen Teilen fein-nuancierte und explosiv-brutale Darbietung. Hierbei muss man jedoch auch Regisseur Jonathan Glazer („Birth“ & „Under the Skin“) sowie Drehbuchautoren David Scinto und Louis Mellis loben. Sie verstehen es, die Gefahr und das Chaos welches von Don repräsentiert wird auf einer menschlichen Ebene darzustellen, ohne je irgendwelchen Klischeebelasteten Gangster-Manierismen zu verfallen. Don ist eine Bedrohung die wirklich nur sehr wenig mit der Verbrecherwelt zu tun hat. Vielmehr ist er ein ungewollter Gast, ein unhöflicher Freund, auf den man bei Partys und Abendessen aufpassen muss. Gal, seine Frau und ihre Freunde sind so an ihre gemütliche Welt gewöhnt, dass sie diese fluchende neue Präsenz mit seiner ungemütlichen Intensität ganz und gar überrumpelt.

Im Gegensatz zu vielen zeitgenössischen Gangster-Filmen, wie z.B. Guy Ritchies „Snatch – Schweine und Diamanten“, erzählt „Sexy Beast“ eine sehr einfache Geschichte. Genau wie Ray Winstones unwilliger und fauler Ex-Verbrecher verwandelt sich der Film nur zögernd in den typischen britischen Thriller-Modus um. Gal will nichts mit dem Unterwelt-Boss Teddy Bass (Ian McShane) zu tun haben und das will die Handlung scheinbar auch nicht. Stattdessen schauen wir Gal und seinen Freunden beim Grillen in ihrer Villa zu, machen einen Abstecher in die Wüste. Auf den ersten Blick sollte diese holprige Kombination eigentlich nicht funktionieren, dabei entsteht aber ein starkes Mitgefühl für den unglücklichen Pensionierten. Diese Zweiteilung macht wiederum seinen erneuten Einstieg in die Unterwelt umso bedrohlicher.

Stilistisch hat der Film auch einiges zu bieten. So wie viele seiner Kollegen (David Fincher, Michael Bay etc.) hatte Glazer seinen Start in der Musikvideo-und-Werbebranche. Für „Sexy Beast“, sein Spielfilm-Debüt, hat sich der Engländer einige bildstarke Sequenzen ausgedacht. So taucht zum Beispiel des öfteren eine albtraumartige Hasen-Figur auf, die mit einer Schusswaffe auf Gal zuschreitet. Wie sich daraus erahnen lässt, mangelt es dem Streifen nicht an Symbolismus. Das mag den ein oder anderen Zuschauer abschrecken, aber wer eine subtile Inszenierung bevorzugt ist hier fehl am Platz. Wer sich allerdings auf diese skurrile Reise einlässt, bei der letztendlich wunderbar wenig passiert, den erwartet ein witzige und einfallsreiche Zerlegung des Gangster-Genres.

Fazit: Ein cleverer Neo-Noir-Thriller im Gewand eines Guy-Ritchie-Films. Schon allein wegen der grandiosen darstellerischen Leistung Ben Kingsleys sehenswert.

Wertung: 8/10

Regisseur: Jonathan Glazer Drehbuch: Louis Mellis; David Scinto Produzent: Jeremy Thomas Schauspieler: Ray Winstone; Sir Ben Kingsley; Ian McShane; Amanda Redman; James Fox Erscheinungsjahr: 2000 Produktionsland: Großbritannien Länge: 89 Minuten

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

You may use these HTML tags and attributes: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>