Gibt es eigentlich noch irgendetwas über „Fifty Shades of Grey“ zu sagen? In den letzten Wochen wurde, sowohl im Fernsehen als auch in jeder großen Zeitung Deutschlands, ausgiebig über den Skandalroman berichtet. Ja der Roman ist unglaublich beliebt (vor allem bei Frauen jeglichen Alters), ja er ist dem Vorbild der „Twilight“-Trilogie nachempfunden (Autorin E.L. James entwarf ihre Romanreihe getreu dem Motto „Was wäre wenn Bella und Edward…?“) und ja die Geschichte um Unterwerfung und Dominanz, ganz besonders im Bezug zur offenen Sexualität, ist vor allem bei Literaturkritikern knallhart durchgefallen (der daraus resultierte Begriff „Mommy-Porn“ ist definitiv nicht positiv zu verstehen!). Doch was kümmern einen die ganzen Hater wenn die komplette Trilogie weltweit schlussendlich mehr als 70 Millionen Mal verkauft wurde? Jetzt knapp vier Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Romans, steht dessen Verfilmung in den Startlöchern und was soll man nach all der Berichterstattung noch groß sagen? Um es kurz und bündig auf den Punkt zu bringen: das mediale Echo, der Hype und die Skandale sind, wenn man die finale Qualität des Films betrachtet, nicht wirklich gerechtfertigt. Regisseurin Sam Taylor-Johnson („Nowhere Boy“) macht aus einem unterdurchschnittlichen Roman einen durchschnittlichen Film, welcher durchaus seine Momente hat aber alles in allem viel zu harmlos rüberkommt. So kann sich vor allem Jung-Darstellerin Dakota Johnson („21 Jump Street“) in einem Film über Sex, Lust und Schmerz profilieren, der eher wie ein schnurrendes Kätzchen wirkt, als wie ein laut brüllender Sex-Löwe.
Als die 21-jährige Anastasia Steele (Dakota Johnson) für ihre kranke Mitbewohnerin Kate (Eloise Mumford) das Interview bei dem Selfmade-Milliardär Christian Grey (Jamie Dornan) übernimmt, ist sie von seinem arroganten aber durchaus einnehmenden Auftreten überrumpelt und gleichzeitig fasziniert. Auch der gutassehende Schönling ist von der Blümchenkleid-tragenden Literatur-Studentin angetan und versucht nach ihrem ersten Aufeinandertreffen näher an sie heranzukommen. Zwischen den beiden entwickelt sich eine komplizierte Art von Beziehung. Christian versucht mit Helikopterflügen, schicken Autos und teuren Klamotten Eindruck bei Anastasia zu schinden. Die wiederum wähnt sich in einem modernen Prinzessinnen-Traum, der durch Mr. Greys Vorlieben für SM, Bondage und sexuelle Unterwerfung, jäh unterbrochen wird. Unfähig sich von ihm zu distanzieren, lässt sich die junge Frau auf das sexuelle Abenteuer ein um näher an den exzentrischen Milliardär zu kommen. Doch auch wenn Christian beginnt sich nach und nach zu öffnen, scheint der Schmerz seiner Vergangenheit immernoch zu sehr an ihm zu nagen…
Butter bei die Fische, jeder weiß was für einen literarischen Quark die Autorin E.L. James mit ihrer „Fifty Shades“-Trilogie abgeliefert hat. Umso schwerer war es natürlich für Drehbuchautorin Kelly Marcel („Saving Mr. Banks“) einen einigermaßen runden Film aus der kruden Vorlage zu formen. In Anbetracht des Ergebnisses kann man sowohl Regisseurin Sam Taylor-Johnson als auch der Drehbuchautorin nur Achtung zollen. Beide sind sich über den literarischen Stand des Buches im Klaren und nutzen ihn bewusst für sich aus. So werden peinliche Momente kurzerhand in komische Momente umgewandelt und das tut dem Film durchaus gut. Der zugetragene Humor beißt sich herrlich mit der glattgebügelten Art von Mr. Grey und nimmt ganz nebenbei noch den Zuschauer bei der Hand, so dass der immer mal wieder auch lustige Momente, in einer ansonsten doch eher sterilen und oberflächlichen Welt, mitbekommt. Doch auch die beste Drehbuchautorin kann aus einer schlechten Vorlage kein Meisterwerk formen und das merkt man „Fifty Shades of Grey“ auch zu jedem Zeitpunkt an. Alle Charaktere neben Anastasia und Christian bleiben blass und unterentwickelt (Marcia Gay Harden wirkt geradezu verschwendet!) und vor allem das letzte Drittel des Films, bricht ihm schlussendlich fast das Genick. Denn wenn versucht wird der Figur Christian Grey psychologisch auf die Pelle zu rücken („Ich bin auf 50 verschiedene Arten abgefuckt!“) dann geht das leider nie über Klischees und Glückskeks-Philosophien hinaus.
So ist es schlussendlich größtenteils der Newcomerin Dakota Johnson zu verdanken, dass der Film nicht als Totalausfall endet. Sie erdet das Geschehen um ihre schüchterne und jungfräuliche Studentin angenehm und verpasst dem Charakter der Anastasia Steele trotz ihres extrem devoten Untertons, viel Charme und Herz. Jamie Dornans („Once upon a Time“) Christian Grey wird hingegen auf das frauliche Auge reduziert: Er hat einen durchtrainierten Körper, eine tiefe, basslastige Stimme und ist vor allem schwer zu entschlüsseln – aus diesen, doch recht simplen Aufgaben, macht Dornan das Beste, auch wenn er stark hinter seiner Leinwandpartnerin zurückbleibt. Zusammen harmonieren die beiden Darsteller mehr als ordentlich und man darf gespannt sein wie sich Johnson und Dornan für die kommenden Fortsetzungen weiterentwickeln werden.
Zum Schluss bleibt nur noch über den vermutlich größten medialen Aufreger in diesem Jahr zu berichten- den Sexszenen. Nicht nur die FSK schürte große Erwartungen an den Erotikfilm, wurde nicht nur bis zuletzt mit einer Altersfreigabe gewartet (schlussendlich wird wohl eher die Entscheidung zwischen Ab 12 oder Ab 16 gestanden sein). Doch sind die sexuellen Eskapaden mit Fesseln und Peitschen wirklich den Hype und die Aufregung wert? Ein ganz klares NEIN! Man bekommt zwar in regelmäßigen Abständen Dakota Johnsons Brüste zu sehen und auch Jamie Dornans Hintern wird ein ums andere Mal in Großaufnahme gezeigt aber echten, für den Zuschauer spürbaren Sex bekommt man nie wirklich zu Gesicht. Dafür wirkt dann doch alles viel zu glatt und vor allem viel zu kalkuliert. Und so tun dann auch die Peitschenhiebe nie wirklich weh, was wiederum zur Auswirkung hat dass die unausgesprochenen Gefühle zwischen Anastasia und Christian auch tatsächlich unausgesprochen bleiben. Schade, hier hätte der Mut zu richtigem Sex und vor allem zu der im Buch thematisierten Gewalt enorm viel gebracht, denn wo kann man sich ohne jegliche Scham oder Angst vor Grenzen besser austoben als in einem Zimmer voller Peitschen, Fesseln und sonstigem perversen Spielzeug? Wie das fast perfekt funktioniert (ohne SM und Bondage) hat der französische Film „Blau ist eine warme Farbe“ mehr als bewiesen, denn im Vergleich zum Cannes-Gewinner wirkt „Fifty Shades of Grey“ (was die drastische Darstellung von Sex angeht) so zahm wie eine Folge „Desperate Housewives“ oder „Sex and the City“.
Fazit: Durchschnittliche Großstadt-Märchen-Romanze trifft auf lahm dargestellte Sexualpraktiken. Hier hätte der Mut zu mehr Sex und Gewalt Wunder bewirkt, so retten hauptsächlich Dakota Johnson und die ordentliche Regie den Film vor dem vollständigen Untergang.
Wertung: 5/10 Punkten
Regisseur: Sam Taylor-Johnson Drehbuch: Kelly Marcel Schauspieler: Dakota Johnson; Jamie Dornan; Marcia Gay Harden; Luke Grimes; Rita Ora Erscheinungsjahr: 2015 Produktionsland: USA Länge: ca. 125 Minuten