“A Most Wanted Man” – Kritik

PosterAutor: Patrick Kunze

In einer der Schlüsselszenen von Anton Corbijns melancholischem Spionage-Thriller „A Most Wanted Man“ sitzt der einsame und verlassene deutsche Agent Günther Bachmann, verkörpert von Philip Seymour Hoffmann, an seinem Klavier und klimpert im Takt zu einem Metronom einige Klänge. In diesen wenigen Minuten ruhigen Klavierspiels bekommt die Dimension zum Tod des Ausnahmeschauspielers Hoffmann eine tieftraurige und erschütternde Note. Denn egal wie man zum (Drogen-)Tod des Oscarpreisträgers auch stehen mag, man merkt dem Menschen (nicht nur dem Schauspieler und Charakter) Hoffmann seine innere Zerrissenheit und Einsamkeit in diesem stark gespielten, manchmal unterkühlt wirkenden aber zu jedem Zeitpunkt wirkungsvollen Thriller, der neben Hoffmann auch deutschen Mimen wie Nina Hoss oder Daniel Brühl eine kleine aber feine Bühne bietet, jederzeit an.

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Als der russische Flüchtling Issa Karpov (Grigoriy Dobrygin) an einem schmutzigen und verregneten Tag in Hamburg ankommt, endet seine zurückgelassene Tortur noch lange nicht. Eine namenlose Spionageeinheit, welche nach den Terroranschlägen vom 11. September unter der Leitung von Günther Bachmann (Philip Seymour Hoffmann) in Hamburg ermittelt, hat längst ein Auge auf den Neuankömmling geworfen. Auch die amerikanische Konsulatsmitarbeiterin Martha Sullivan (Robin Wright) und der BND zeigen sich überaus interessiert an dem Flüchtling. Was möchte er in Hamburg? Hat er Kontakte zu Al Qaida? Und was befindet sich im Bankschließfach, an welches er verzweifelt heranzukommen versucht? Viele Fragen, wenige Antworten und schnell merken auch Bachmann und seine Truppe das hier mehr im Gange ist, als er ursprünglich für möglich gehalten hat.

Die Terroranschläge vom 11. September haben die Welt nachhaltig verändert. Das führt uns auch Regisseur Anton Corbijn („The American“) bereits am Anfang von „A Most Wanted Man“ vor Augen als er uns über Untertitel daran erinnert das die Terrorgruppierung um Muhammed Atta, die Anschläge in Hamburg geplant und erprobt hat, ohne dabei irgendwelche Schuldzuweisungen zu machen. Aus diesen Grunden wurde die namenlose Einheit um den gealterten Spion Günther Bachmann gegründet, damit so etwas nie wieder kann. Doch längst ist nicht mehr die reine Verhinderung zu ihrer Arbeit geworden, man versucht gar bis zu der Wurzel allen Übels vorzudringen. Das bei der Jagd nach Terroristen alle deutschen Gesetze mit den Füßen getreten werden, ist Bachmann in des egal, ein kaltschnäuziges „Wir wollen die Welt sicherer machen. Ist das nicht genug?“ muss vom Zuschauer ebenso wie von den Betroffenen akzeptiert werden.

Doch es geht Corbijn in erster Linie nicht darum die Grausamkeit von verdeckt ermittelnden Spionageeinheiten zu entlarven, sondern darum die Welt als große, ständig tickende Uhr darzustellen, die in ihrer (kapitalistischen) Denkweise weiterlaufen muss. Nach dem Bestseller von Autor John le Carré seziert der Regisseur Manieurismen einer Welt, die ihrer eigenen Vorbestimmung folgt und Menschen die versuchen sie in diesen Gleisen zu halten. Er zeichnet ein Puppentheater nach, von dem die meisten Menschen keine Ahnung haben, dass es überhaupt stattfindet, ohne dabei mit erhobenem Zeigefinger zu agieren. Ein schwere Aufgabe, die manchmal zwar zu kippen droht, doch immer im richtigen Augenblick wieder in die richtigen Bahnen gedrängt werden.

Immensen Anteil daran haben selbstverständlich der Cast, angeführt von einem großartig agierend Philip Seymour Hoffman, der uns mit seiner Darstellung des verlassenen und im Leben gescheiterten Agenten Günther Bachmann, einmal mehr Bewusst macht, was für einen großartigen Mimen diese Welt verloren hat. Sein unterkühltes und durchaus melancholisches Spiel passt perfekt in die fast schon dokumentarische Bildsprache. Eine posthume Oscarnominierung wäre durchaus denkbar. Neben ihm kommt hauptsächlich die deutsche Schauspielerin Nina Hoss zum Zug, die zuletzt in Werken wie „Yella“ oder „Barbara“ von ihrem außergewöhnlichen Talent von sich Reden machte und nun mit „Phoenix“ endgültig in der oberen Riege der deutschen Darsteller angekommen ist. Im Zusammenspiel mit Hoffmann zeigt sie einen ebenso kaputten Menschen wie Hoffmann. Sind die beiden Spione ein Paar? Eine Berührung, ein beiläufiger Satz oder ein glühender Blick genügen um dem Zuschauer ein Bild zu geben. Doch ob es nun stimmen mag oder nicht, eine Beziehung zwischen den beiden wird nie möglich sein. Denn neben ihrer Eiseskälte und ihrer Professionalität sind Spione vor allem eines – einsam und allein.

Fazit: Mit „A Most Wanted Man“ hat Regisseur Anton Corbijn einen fesselnden, manchmal etwas zu unterkühlten Spionage-Thriller geschaffen, der vor allem durch das famose Spiel von Phillipp Seymour Hoffmann zu einem Muss für jeden Kinofan wird.

Wertung: 8/10 Punkten

Regisseur: Anton Corbijn Drehbuch: Andrew Bovell Schauspieler: Philip Seymour Hoffmann; Robin Wright; Rachel McAdams; Willem Dafoe; Nina Hoss Erscheinungsjahr: 2014 Produktionsland: Deutschland, USA, UK Länge: ca. 122 Minuten

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