“American Hustle” – Kritik

AmericanHustlePosterAutor: Leonhard Balk

Statt „American Hustle“ sollte ja eigentlich „American Bullshit“ auf allen Postern und Plakaten in Städten um die Welt zu lesen sein. So stand der Titel des neuen Films von David O. Russell zumindest auf dem Cover des  Drehbuchs geschrieben. „American Bullshit“ fasst dabei den Inhalt der Film-Handlung wirklich optimal zusammen. Es geht um eingebildete und eitle Leute, die im Sinne des American Dream auf den Schultern anderer stehen, um an die Spitze zu kommen. Zu einem Zeitpunkt im Film werden diese Menschen, vollkommen treffend, als „Bullshit Artists“ bezeichnet. Der Text von Autor Eric Singer landete 2010 auf der berühmten „Black List“, einer jährlichen Sammlung der besten, bislang unverfilmten Drehbücher Hollywoods. Singers Erzählung beeindruckte die Produzenten Charles Roven und Richard Suckle nicht nur wegen seines provokanten Titels, sondern vor allem durch seinen verspielten Umgang mit den wahren Begebenheiten der ABSCAM-FBI-Operation in den 70er Jahren. Roven und Suckle wollten für diesen Thriller „Argo“-Regisseur Ben Affleck hinter die Kamera stellen, doch der musste schon bald das Projekt verlassen. So kam David O. Russell, beflügelt von seinem „Silver Linings“-Erfolg, mit an Bord. Mit Russell veränderte sich nicht nur das Drehbuch, sondern auch der Filmtitel: Aus Bullshit wurde Hustle.

American-Hustle

Glücklicherweise spiegelt dieser neue Titel genauso gut die Thematik und den Zeitgeist des Films wieder. Hustle kann sowohl als Verb für die unschuldige Geldbeschaffung, als auch für Akte der Prostitution benutzt werden. Der Begriff hat zu gleichen Teilen etwas Glamouröses und etwas Unsauberes an sich, was sich in Russells Film widerspiegelt. Hier tragen die Figuren zwar ausgefallene Kleider und handeln mit großen Geldsummen, doch im Grunde sind sie verzweifelt und amoralisch. Sie wollen nur heil aus der Situation davonkommen. Do the Hustle!

In den 1970er Jahren verdienen sich das Verbrecherpärchen Irving Rosenfeld (Christian Bale, „The Dark Knight Rises”) und Sydney Prosser (Amy Adams, „Man of Steel”) mit verschiedenen Kredit-Betrugen und dem Verkauf von gefälschten Kunstwerken ihr Geld. Als sie jedoch von dem FBI-Agenten Richie DiMaso (Bradley Cooper, „Silver Linings“) ertappt werden, müssen sie ihm bei einem Undercovereinsatz helfen. Um die Gangster und korrupten Politiker New Jerseys bei einer Schmiergeldaffäre zu erwischen, manipulieren DiMaso und seine neuen Gehilfen den nichtsahnenden Bürgermeister Carmine Polito (Jeremy Renner, „Hänsel und Gretel: Hexenjäger”). Doch Rosenfelds unberechenbare Ehefrau Rosalyn (Jennifer Lawrence, „Die Tribute von Panem 2 – Catching Fire“) könnte die ganze Operation zum Fall bringen.

Diese Handlung, so wie sie in der Synopsis steht, scheint zunächst einmal recht übersichtlich zu sein. Doch diese Ruhe trügt, denn Russell und Drehbuchautor Singer schaffen es mit Flashbacks und verschiedenen Wendungen in der Story 138 Minuten schnell verstreichen zu lassen. Die Geschichte der ABSCAM-FBI-Operation, welche für diesen Film (mehr oder weniger) als Vorlage diente, ähnelt dem Undercover-Plan des letztjährigen Oscar-Gewinners „Argo“ in seiner Komplexität und abwegigen Entstehung. Genauso wie Affleck findet Russell ein gutes Gleichgewicht zwischen Ernsthaftigkeit und Humor, so dass die Lächerlichkeit der ganzen Situation auch zum Vorschein kommen kann. Dies wird auch in den Kostümen und der Musik der 70er ausgedrückt. So fängt der Film beispielsweise auch mit einer Sequenz an, in der sich Rosenfeld anstrengt seine Halbglatze mit einem Toupet und viel Kleber zu verstecken. Gleichzeitig lässt jedoch die Spannung nie nach, was vor allem dem hervorragendem Drehbuch Singers zuzuschreiben sein wird.

Da wir uns ja nun langsam der Filmpreis-Zeit (Oscars, BAFTAs, Golden Globes etc.) annähern, werden viele wohl besonders auf die Schauspieler und ihre Oscar-Würdigkeit achten. Für dies stellt Russell seinen Stars einer wunderbaren Spielplatz zur Verfügung, auf dem sich Lawrence, Bale und co. austoben dürfen. Ins besondere Bale, der ja schon oft sein Aussehen dramatisch verändert hat, versetzt sich Chamäleon-artig in die Rolle des übergewichtigen Irving Rosenfeld. Weit ab von seinen sonst eher dominanten Charakteren, spielt Bale einen gebrochenen Mann, der alle seine Hoffnungen an seine große Liebe, Amy Adams als die verführerische Sydney Prosser, heftet. Auch Cooper und Adams sind in Topform, die sexuelle Spannung zwischen ihren Charakteren ist zu jedem Zeitpunkt spürbar. Über Lawrence, die jüngst ihren ersten Oscar gewann, muss man eigentlich nicht viel sagen. Was sie betrifft, muss man eigentlich nur ein großes Kompliment an das Ensemble-Cast und  die Filmemacher aussprechen, denn Lawrence stiehlt hier, trotz ihres Star-Images, nie die Show.

Diese grandiosen, nervenaufreibenden Performances in Kombination mit dem unaufhaltsamen Rhythmus des Films lassen die Handlung bis zum dritten Akt immer mehr auf etwas Dramatisches hinauslaufen. Die Einsätze sind zu hoch, die Spannung ist stetig gestiegen: Irgendetwas einschneidendes muss passieren. Doch hier lässt Russell leider nach. Trotz aller Verbrechen und dem verspielten Geld gibt es für alle ein Happy End, egal wie unglaubwürdig das auch seien mag. Mir schien es schon fast so, als ob Russell sich zu sehr mit seinen Figuren angefreundet hätte und ihnen deshalb nichts antun wollte. Vielleicht dachte er aber auch nur an die Oscar-Wähler, die ja bekanntlich vor Kitsch und Klischee nicht zurückscheuen. Jedenfalls leidet der Film unter dieser halb-realisieren Sozialkritik, die uns ja eigentlich vorführen sollte, was mit diesen „Hustlers“ in Folge ihrer illegalen Geschäfte alles passiert. So bleibt es bei „American Hustle“ leider nur bei einem amüsanten Thriller, der in ein paar Jahren vergessen sein wird.

Fazit: Ein spannender, unterhaltsamer Thriller, der vor allem durch die Leistungen der Star-Schauspieler überzeugen kann und bei dem viel auf dem Spiel zu stehen scheint. Leider fehlt Russell der Mut, dies auch konsequent durchzuziehen.

Wertung: 8/10

Regisseur: David O. Russell Drehbuch: Eric Singer; David O. Russel Schauspieler: Jennifer Lawrence; Christian Bale; Jeremy Renner; Amy Adams; Bradley Cooper Erscheinungsjahr: 2013 Produktionsland: USA Länge: 138 Minuten

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