“Night on Earth” – Kritik

NightOnEarthPosterAutor: Leonhard Balk

Warum faszinieren uns die dunkle Nacht und die frühen Morgenstunden so sehr? Richard Linklaters „Confusion – Sommer der Ausgeflippten“, George Lucas’ „American Graffiti”, Martin Scorseses „Die Zeit nach Mitternacht”, George A. Romeros „Die Nacht der lebenden Toten”… Unzählige Filmemacher haben sich mit dieser Tageszeit auseinandergesetzt, sich mit Kaffee vollgepumpt um diese magischen Stunden aufzuzeichnen. Vielleicht bevorzugen Regisseur ja einfach nur die Ruhe beim filmen, es gibt keine wartenden Fans und man muss sich nicht um Statisten kümmern. Oder es geht ihnen, wie nachtaktiv-Filmer Michael Mann („Heat“ & „Collateral“), um die einzigartigen ästhetischen Qualitäten der Nachtzeit. Bei Indie-Legende Jim Jarmusch („Mystery Train“ & „Ghost Dog – Der Weg des Samurai”) ist diese Faszination schnell verständlich. Er interessiert sich für die seltsamen Gestalten die einem zu solch späten Stunden über den Weg laufen. Seine Charaktere sind Fremde, unterschiedliche Menschen mit verschiedenen sozialen und nationalen Hintergründen, die aber in diesen wenigen Augenblicken vereint werden.

NightOnEarth

Fünf Städte, fünf Taxis, eine Nacht. In Los Angeles steigt eine neurotische Casting-Agentin (Gena Rowlands) in das Auto der lässigen Taxifahrerin Corky (Winona Ryder). Auf der anderen Küstenseite Amerikas, in New York, versucht YoYo (Giancarlo Esposito) nach Brooklyn zu kommen, doch kein Taxi will ihn mitnehmen. Als dann endlich eines für ihn anhält, spricht der Fahrer, der Deutsche Helmut (Armin Müller-Stahl), kein Wort englisch und kann noch weniger Autofahren. Währenddessen muss sich ein aus der Elfenbeinküste stammender Taxifahrer (Isaach de Bankolé) auf den Pariser Straßen rassistische Kommentare anhören lassen. In der Hoffnung weitere Streitigkeiten vermeiden zu können, hält er für eine blinde Frau (Béatrice Dalle). In dem verlassenen Rom düst derweil ein überheblicher Taxifahrer (Roberto Benigni) durch die engen Gassen der Stadt. Er erhält den Auftrag einen Priester abzuholen, der schwer herzkrank ist und das Gelaber seines Fahrers nicht ertragen kann. Schließlich treffen wir den finnischen Taxifahrer Mika (Matti Pellonpää), der sich um drei betrunkene Freunde kümmern muss.

Auf den ersten Blick haben diese Geschichten wohl, außer den allgegenwärtigen Taxis und den Uhrzeiten, eher wenig miteinander zu tun. Doch Jarmusch schafft es in diesen Begegnungen einen roten Faden zu finden, eine sich-wiederholende Thematik. Auf den leeren, dunklen Straßen wandern seine einsamen Figuren umher, meist hoffnungslos oder anderweitig entfremdet. Welten treffen aufeinander und lösen sich wieder auf. So kommen einem die verschiedenen Begegnungen immer bekannter vor, ein bekannter Rhythmus etabliert sich. Schlussendlich nimmt die Nacht für uns die Gestalt einer Figur an, die genauso Teil der Handlung ist wie die Taxifahrer und ihre Gäste. Somit gelingt Jarmusch bis zum Ende seines Films genau das, was der Titel seines Films verspricht: Wir erleben eine Nacht auf der Erde, in der wir zwar viele unterschiedliche Figuren kennenlernen, die jedoch alle nur Menschen sind.

„Night on Earth“ ist nun eigentlich das perfekte Beispiel um Jarmusch’ Stärken als Filmemacher hervorzubringen. Der Amerikaner versteht es seine einzigartigen, skurrilen Szenarien mit einer tiefgründigen Thematik zu unterlegen, die seine Zuschauer aus aller Welt betreffen und bewegen kann. So können hier perverse Zugeständnisse der „Kürbis-Liebe“ und der herzzerreißende Verlust eines Neugeborenen nebeneinander existieren. Hierbei helfen auch vor allem seine talentierten Schauspieler, die jede Zeile des Drehbuchs mit Respekt und viel Können umsetzen. So sieht man in der ersten Erzählung in Los Angeles zu keinem Zeitpunkt den „Beetlejuice“ oder „Heathers“-Star in Winona Ryders Figur. Ryder verwandelt sich komplett in die kettenrauchende Corky, genauso wie Gena Rowlands perfekt in die Rolle der Casting-Agentin schlüpft. Das Fehlen weiterer großer Stars (von Roberto Benigni abgesehen) hilft umso mehr bei Erschaffung einer glaubwürdigen Filmwelt.  Das hier soll ja schließlich nur irgendeine Nacht sein, in der diese Leute nur zufällig aufeinander stoßen.

Fazit: Zum brüllen komisch und gleichzeitig extremst tiefgründig und traurig, das kann nur Jim Jarmusch.

Regisseur: Jim Jarmusch Drehbuch: Jim Jarmusch Schauspieler: Winona Ryder; Armin Müller-Stahl; Gena Rowlands; Giancarlo Esposito; Roberto Benigni Erscheinungsjahr: 1991 Produktionsland: USA Länge: 129 Minuten

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