“12 Years a Slave” – Kritik

12YearsPosterAutor: Leonhard Balk

Ähnlich wie letztes Jahr, als Quentin Tarantino die Gewalt in seinem Film „Django Unchained“ verteidigen musste, wird nun erneut über die filmische Darstellung von Sklaverei diskutiert. Dieses mal geht es jedoch nicht um exzessive Gewalt (mit Blut-Fontänen etc.), sondern um realistische. Steve McQueen gehört zu der Gruppe seltener Filmemacher die vor scheinbar nichts zurückschrecken. Mit „Hunger“ gab der Brite die schlimmen Zustände eines Gefängnisses in Nordirland wider und mit „Shame“ befasste er sich mit dem Thema Sexsucht. Es sollte also eigentlich keinen überraschen, dass der Regisseur nun mit „12 Years a Slave“ den Kern der Sklaverei-Kontroverse treffen will. Als er von Filmkritikern für seine Gewalt-Darstellung kritisiert wurde (Kritiker Armond White beschimpfte ihn öffentlich bei den New York Film Critics Circle Awards), antwortet McQueen kurz und knapp: „Entweder wir erzählen eine Geschichte über Sklaverei, oder wir tun es nicht. Ich wollte eine Geschichte über Sklaverei erzählen.“

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Solomon Northup (Chiwetel Ejiofor) ist ein freier Afroamerikaner, ein hervorragender Geigenspieler und ein liebevoller Vater und Ehemann. Doch Solomons sorgenfreies Dasein findet plötzlich ein Ende nachdem er von zwei Fremden betrogen, betäubt und entführt wird. Er wird in die Südstaaten Nordamerikas gebracht, wo er zunächst an den gnädigen Plantagenbesitzer Ford (Benedict Cumberbatch) verkauft wird. Seine Lage verschlimmert sich jedoch noch weiter, als er zur Plantage des brutalen Edwin Epps (Michael Fassbender) wechseln muss, der die Sklaverei tief in der Bibel verankert sieht.

„12 Years a Slave“ basiert auf der Biografie des wahren Solomon Northups. Sein Schicksal mag  zwar heutzutage etwas schwer zu glauben sein, doch der Geigenspieler wurde tatsächlich von seiner Familie getrennt und musste 12 Jahre als Sklave arbeiten. Als er dann schlussendlich zu seiner Familie zurückkehrte, hatte er eine Odyssee hinter sich, die einem griechischen Epos ähneln könnte.  Drehbuchautor John Ridley („Red Tails“) beschäftigte sich über mehrere Jahre mit der Geschichte des freien Sklaven und konnte sich so das Leiden der Plantagen-Sklaven sehr zu Herzen nehmen. Seine respektvolle Adaption des Buches vermittelt von Anfang an die überwältigende Hoffnungslosigkeit, die Solomon wohl verspürt haben muss. Der Film beginnt ganz unscheinbar inmitten der täglichen Sklaven-Arbeit und zeigt uns den Tagesablauf auf einer Plantage. Nachts erinnert sich Solomon an seine Frau und seine Kinder, seine Situation scheint zum Verzweifeln zu sein.

Für dieses fein-nuancierte Drehbuch hätte man wohl keinen passenderen Regisseur als Steve McQueen finden können. Ein Filmemacher aus den Rängen Hollywoods hätte Ridleys Drehbuch womöglich noch mit Klischees und Emotionen überladen. McQueen hat dagegen ein besseres Auge für Realismus und hält seine Schauspieler von gekünstelten Darstellungen fern. Ein gutes Beispiel hierfür ist die beeindruckende Leistung der unerfahrenen Schauspielerin Lupita Nyong’o. Aber auch bekanntere Stars wie Michael Fassbender („Prometheus – Dunkle Zeichen”)  und Chiwetel Ejiofor („Salt“) tauchen vollkommen in ihre Rollen unter. Fassbender ist eine furchteinflößenden Bestie, unberechenbar und unvermeidbar. Sein Charakter, welcher in einem minderwertigeren Film als eindimensionale Karikatur abgeschrieben werden würde, gewinnt jedoch noch eine emotionale Tiefe durch seinen religiösen Fanatismus. Ejiofor gelingt endlich, nach vielen Nebenrollen und kleineren Projekten, der große Durchbruch. Egal ob er den Oscar gewinnen wird oder nicht, seine darstellerische Leistung wird uns lange in Erinnerung bleiben.

Auch visuell behält McQueen die Kontrolle, seine Kamera ist stets an den Gesichtern seiner Protagonisten interessiert, statt sich in Szenen der Gewalt zu verlieren. Hier spritzt kein Blut, es laufen Tränen. Kameramann Sean Bobbitt geht seine dritte Kollaboration mit McQueen mit der gleichen sicheren Hand an, wie man es schon in „Hunger“ und „Shame“ beobachten konnte. Er scheut genauso wenig  vor brutalen Peitschenhieben, wie auch vor Szenen der Vergewaltigung und der absoluten Hoffnungslosigkeit zurück. So kommt es am Ende doch als Überraschung, wenn man plötzlich einen Schimmer Hoffnung in dieser tristen Welt findet. McQueen und sein Team (Minuspunkt für Hans Zimmer, seine Musik fügt sich nicht so recht in das Gesamtbild des Filmes ein) schaffen es so vollkommen, das Leben der Sklaven darzustellen, dass die selten Momente des Friedens und der Freiheit umso schöner sind. Am Ende dient Solomons Überleben als rührendes Testament des menschlichen Lebenswillens.

Fazit: Steve McQueen schafft es aus einer grausamen Geschichte ein lebensbejahendes Meisterwerk zu erschaffen.

Wertung: 9,5/10

Regisseur: Steve McQueen Drehbuch: John Ridley Schauspieler: Chiwetel Ejiofor; Michael Fassbender; Benedict Cumberbatch; Paul Dano; Lupita Nyong’o Erscheinungsjahr: 2013 Produktionsland: USA Länge: 134 Minuten

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