Die Zukunft wartet bei „Code 46“ mit einem Thema auf, das einem bereits unserer Tage nur allzu vertraut vorkommt. Und ist es nicht das Thema als solches, dann zumindest die Angst davor. Denn schon zu Beginn von Michael Winterbottoms Sci-Fi-Thriller führt uns die Kamera von Alwin H. Küchler („Sunshine“) über eine öde Wüstenei von Landschaft. Bei näherem Hinsehen weist diese erstaunliche Parallelen mit dem ‚großen Garten‘ Südengland auf, während eine nüchterne Erzählstimme die Bestimmungen des Code 46 rezitiert. Von Genscreening ist darin ebenso die Rede wie von erlaubten oder unerlaubten Schwangerschaften und schon ist man drin, in düsteren Zukunftsvisionen á la „Gattaca“ oder „Die Insel“.
Das mutmaßliche England erweist sich dann zwar tatsächlich als Shanghai, die Assoziation funktioniert aber dennoch. Rasch lernt man, dass es sich bei der filmischen Metropole um eine von Checkpoints und Kontrollen hermetisch abgekapselte Insel handelt. Ganz ähnlich scheint es auch sonst auf der Welt auszusehen: Wenige Städte bieten einer privilegierten Minderheit Heim und Zuflucht, während das verwüstete Umland, der Ressourcen beraubte Großteil der Welt, ein Leben und Überleben kaum mehr möglich macht. Tim Robbins („Mystic River“) alias William Geld kommt als Ermittler in die Supercity um ein Leck im Sicherheitssystem von Stadt und Gesellschaft ausfindig zu machen. Denn immer häufiger gelangen Menschen ohne Zugangsberechtigungen in die Sicherheitszonen. William Geld? Ganz genau. Zumindest in der deutschen Synchronfassung bedient man sich allerhand weltsprachigen Begriffen und Redewendungen. Das erinnert an Esperanto und soll wohl das Gefühl einer zusammengerückten und im Leid vollends globalisierten Welt verstärken. Etwas das zunächst jedoch eher verwirrt, da man ständig befürchtet nicht alles mitzubekommen.
Schon bald nachdem William die Ermittlungen beginnt, drängt sich ihm eine Ahnung auf und gar mehr als das. Denn in der Welt von „Code 46“ kann man durch eine ausgefeilte Virustechnologie ebenso rasch neue Sprachen erlernen wie Gedanken lesen. Immer vorausgesetzt man hat gewisse Körperliche Eigenschaften und das notwendige Kleingeld für solcherlei Spielereien. Klar das ein solcher ‚Ich schau in deinen Kopf-Virus‘ einem Ermittler zu Gute kommt. Ungut jedoch wenn man sich kurzerhand in die ermittelte Person und Hauptverdächtige für das illegale Bereitstellen von Zugangsberechtigungen verliebt.
Atmosphärisch pendelt „Code 46“ stets zwischen intimen Innenansichten und dem großen Blickwinkel auf eine fiktive, gleichwohl erschreckend vertraute Welt. Der Film spielt mit der Faszination über neue technische Standards und Errungenschaften genauso, wie mit der Angst die von der etablierten Gesellschaftsordnung ausgeht. Die Einsamkeit des Erinnerns und Schwermut ob einer im Nebel des Vergessens verborgenen Vergangenheit, werden dabei immer wieder aufgegriffen. Am emotionsreichsten wird dieses Empfinden sobald Songs von „Bob Marley“ und „The Clash“ in die Handlung einfließen, oder über die Looney Tunes Helden Roadrunner und Coyote philosophiert wird.
Trotzdem verliert der Zuseher dieses Band der emotionalen Verbindung immer wieder. Fast wünscht man sich „Code 46“ würde stärker, permanenter fesseln. Das Potential dazu hat Winterbottoms Film zweifellos. Allein der Funke mag nicht so recht überspringen. So gut wie nie knistert das Feuer richtig, verharrt stattdessen in einer Art anlaufschwachem Glimmen.
Tim Robbins spielt für die eigenen hohen Ansprüche leider nicht mehr als durchschnittlich. Samantha Morton steht ihm in dieser Hinsicht in nichts nach. Immerhin, alle übrigen Akteure spielen solide bis gut. Passendere Musik hätte zudem den Bildern zu mehr Tiefe verhelfen können, wenn nicht gar müssen. Zu oft bleibt sie allerdings zu nichtssagend, leise und kurz. So sehnt man sich nach Stücken von „The XX“, „Daughter“ oder auch „Youth Kills“… die es freilich im Produktionsjahr 2003 allenfalls im Proberaum gab. Doch der geneigte cineastische Musikliebhaber weiß was gemeint ist. Wie’s hätte gehen können merkt man am Ende als sich für einige Sekunden „Coldplay“ die Ehre geben…
Fazit: Trotz all dieser Kritikpunkte ist die mögliche Tiefenschärfe und Dichte von „Code 46“ spürbar vorhanden und sollte jedem Zuseher dem Crossover-Stories zwischen Sci-Fi und Krimi gefallen, einige schöne Momente schenken. Zumal man bei einer Laufzeit von ca. 89 Minuten nicht allzu viel Lebenszeit investiert.
Wertung: 6,5/10
Regisseur: Michael Winterbottom Drehbuchautor: Frank Cottrell Boyce Kamera: Alwin Kuchler Musik: Stephen Hilton & David Holmes Schauspieler: Tim Robbins; Samantha Morton; Togo Igawa; Om Puri; Jeanne Balibar Laufzeit: 89 Minuten