„Die Vögel II – Die Rückkehr“, „Exorzist II – Der Ketzer”, „Der weiße Hai 2”… Selbst Horrorfilm-Klassiker sind nicht vor schlechten Fortsetzungen immun. Schließlich ist die Horror-Sequel-Anfertigung seit den 1920ern ein ständig zu beobachtendes Phänomen in Hollywood. Schon das legendäre Geschöpf aus dem Monster-Hit „Frankenstein“ der Universal Schreckens-Fabrik bekam zuerst mit einer Braut und dann mit einen Sohn weiteren Zuwachs. Zwar klappten diese frühen Franchise-Versuche noch einigermaßen („Frankensteins Braut“ ist sogar um einiges besser als das Original), doch schon bald mussten Kreativität und Integrität dem industriellen Geldgewinn weichen. Aus verschiedenen Gründen scheint das Horror-Genre hierbei besonders Anfällig zu sein. Vielleicht weil Produzenten scheinbar oft den Grusel-Faktor eines Films mit seiner gesamten Qualität verwechseln. So ist es eigentlich erstaunlich, dass Alfred Hitchcocks Meisterwerk „Psycho“ erst 23 Jahre nach seiner Erstausstrahlung fortgesetzt wurde.
Serien-Killer Norman Bates (gespielt von einem inzwischen bejahrten Anthony Perkins) wird 22 Jahre nach seiner Festnahme aus dem Gefängnis entlassen. Er zieht zurück in das Haus seiner (verstorbenen?) Mutter und übernimmt die Leitung des anliegenden Motels. Nebenbei fängt Norman auch einen neuen Job als Koch an und lernt so die charmante Oberin Mary (Meg Tilly) kennen, die ihn sogar oft zuhause besuchen kommt. Doch Normans Leben droht schon bald wieder aus den Fugen zu geraten, als er plötzlich Anrufe von seiner toten Mutter bekommt…
Es ist wirklich erstaunlich, und ein anerkennungswürdiges dramaturgisches Kunstwerk, wie schnell und mühelos es Kult-Regisseur Richard Franklin (“Truck Driver – Gejagt von einem Serienkiller”) schafft einen der wohl berühmtesten Film-Killern zum bemitleidenswerten Opfer zu machen. Und das obwohl wir mit der Eröffnungssequenz, die ikonische Dusch-Szene des Originals, sofort an die Taten des tödliche Muttersöhnchens erinnert werden. Doch irgendwie tut Norman einem dann in den darauffolgenden Szenen hingegen aller rationaler Erwartungen plötzlich leid. Als höflicher, gutgekleideter Mann mittleren Alters wird der Ex-Killer durch den Gerichtssaal geführt, während die hysterische Überlebende Lila Loomis (Vera Miles) gegen den Gerichtsentschluss protestiert. Zurück in seinem alten Haus wird Norman von Albträumen geplagt und man realisiert, dass Norman ohne den Einfluss seiner Mutter doch vollkommen harmlos ist. Er könnte sogar ein recht normales Leben führen, vorausgesetzt er fängt nie wieder an mit seiner Mutter zu sprechen. Und so beginnt ein nervenaufreibendes Psycho-Spiel, bei dem es fortwährend um Normans Verstand geht.
Neben der Wahl ihres Protagonisten, liegt eine weitere Innovation auf Seiten der Filmemacher in der Verlagerung des Films in das Slasher-Genre. In Hitchcocks Meisterwerk lassen sich diesbezüglich zwar Ansätze erkennen, dennoch ist der Film weitestgehend frei von Mord und Schock-Momenten. Wie passend also, dass in der Fortsetzung nun die ganze Slasher-Wut der Achtziger und psychologische Spannung des Originals entfesselt werden kann. So ist es unerwartet kathartisch, nach dem vielfachen Sehen der Dusch-Szene des Originals, endlich die volle blutige Auswirkung der Messer-Stiche zu sehen.
Bis auf ein paar Slasher-Momente ist „Psycho II“ aber tatsächlich ein außerordentlich intelligenter Film. Die Entwicklung einer Figur, welche von Hitchcock und Buch-Autor Robert Bloch in die Welt gesetzt wurde, wird sowohl respektvoll als auch innovativ fortgesetzt. Homage und blutige Mordszenen gehen reibungslos ineinander über. Dazu kommt noch, dass sich Franklin offensichtlich für dieses Projekt einige von Hitchcocks-Kameratricks angeeignet hatte. So passt diese Fortsetzung sowohl visuell als auch erzähltechnisch in das von Hitchcock erschaffene Universum. Schade nur, dass dieser Erfolg durch zwei weitere mangelhafte Sequels und einem Remake ausgenutzt wurde.
Fazit: Ein seltenes Beispiel einer gelungenen Horrorfilm-Fortsetzung. „Psycho II“ ist innovatives Sequel, welches zu keinen Zeitpunkt das Vermächtnis seines Vorgängers missbraucht.
Wertung: 8/10
Regisseur: Richard Franklin Drehbuchautor: Tom Holland Kamera: Dean Cundey Schauspieler: Anthony Perkins; Vera Miles; Meg Tilly; Robert Loggia; Dennis Franz Laufzeit: 113 Minuten