Es muss nicht immer ein multimillionen Budget vorhanden oder die Rettung der Welt vonnöten sein, um mit großem Kino zu verzaubern. Manchmal reichen auch ein unwiderstehlicher Verlierer und eine Schneefräse. Robert Benton („Kramer gegen Kramer“) gibt Paul Newman in „Nobody’s Fool“ eine Kleinstadt als Bühne und der Altmeister dankt es ihm indem er schlichtweg brilliert. Mit oder ohne Schuhe.
Auch mit sechzig Jahren hat Bauarbeiter Donald „Sully“ Sullivan (Paul Newman) nicht allzu viel vorzuweisen. Einzig an Misserfolgen scheint der Dickkopf reich zu sein. Mit seiner Familie liegt er dabei ebenso im Clinch wie mit seinem zeitweiligen Arbeitgeber Carl Roebuck (Bruce Willis). Seines Zeichens Manager der TipTop-Bauunternehmung, der Sully überdies seit Jahren versucht wegen eines Arbeitsunfalls eine Abfindung abzutrotzen. Doch auch vor Gericht scheitert er gemeinsam mit seinem einbeinigen Anwalt regelmäßig. Einzig Sullys Vermieterin und ehemalige Lehrerin, Miss Beryl (Jessica Tandy), hält unverhohlen große Stücke auf den schroffen Einzelgänger und verteidigt ihn gar gegenüber ihres Sohnes, sobald dieser mal wieder über die Rauchgewohnheiten des leidlich beliebten Untermieters wettert. So scheint alles in den gewohnten, nach unten führenden Bahnen zu verlaufen. Sully erwartet nicht mehr vom Leben als ihm eine heiße Tasse Kaffee, ein augenzwinkernder Scherz oder der Flirt mit Carls Frau Toby (Melanie Griffith) bieten kann. Zumindest solange bis zu Thanksgiving Sohn Peter (Dylan Walsh) auftaucht. Eröffnet sich dadurch doch die unverhoffte Gelegenheit Fehler der Vergangenheit wieder gut zu machen.
Der im Rahmen der Berlinale von 1995 mit dem Silbernen Bären ausgezeichnete Paul Newman, spielt in Bentons kleinem Film ganz groß auf. Verkörpert, so scheint es, mit allergrößtem Vergnügen den hartschaligen Verlierer, der einerseits nicht weiter vom Schauspieler Newman entfernt sein könnte, andererseits wie ein zweites Selbst wirkt. Ein Genuss für Auge und Ohr sind vor allem die Gefechte die sich Newman mit Willis liefert. Das Aufeinandertreffen zweier Schauspielgrößen in verschneiten Vorgärten, hat für sich genommen schon bizarre Züge. Erlebt man wie sich Sully und Carl immer wieder um Frau und Schneefräse erleichtern, wird daraus ein kammerspielhafter Spaß ersten Ranges.
Gerade der kommt trotz der süßen Melancholie, die „Nobody’s Fool“ durchdringt wie harsche Winterkälte, nie zu kurz. Ganz im Gegenteil. Meisterhaft ausgewogen ergibt sich ein emotionales Menu vielerlei Zutaten und zahlreicher kleiner, wunderschöner Momente. All dies wird untermalt von Howard Shores zärtlichen Kompositionen; als klangliches Sinnbild für die Suche nach menschlicher Wärme.
Fazit: Jeder der filmischen Humor nicht nur als bloße Aneinanderreihung von Slapstick-Einlagen oder derben Sprüchen sieht, jeder der Paul Newmans Spiel schon immer gern zusah, jeder dem der Genuss, einen Wintertag in aller Ruhe vom Fenster aus zu betrachten nicht fremd ist, wird „Nobody’s Fool“ beim ersten Mal mögen und beim zweiten Mal lieben.
P.S.: Als traurige Anmerkung sollte der Tod von Jessica Tandy am 11. September 1994 Erwähnung finden, die somit die Premiere leider nicht mehr erleben konnte. „Nobody’s Fool“ ist ihr gewidmet.
Wertung: 9,5/10
Regisseur: Robert Benton Drehbuch: Robert Benton Komponist: Howard Shore Schauspieler: Paul Newman; Melanie Griffith; Jessica Tandy; Bruce Willis; Dylan Walsh; Philip Seymour Hoffman Erscheinungsjahr: 1994 Produktionsland: USA Länge: 110 Minuten