Katastrophe und Meisterwerk. Eigentlich würde man ja meinen, dass diese zwei Beschreibungen einander ausschließen, aber trotzdem fallen diese Begriffe in Diskussionen um den Western-Film „Heaven’s Gate“ im perfekten Einklang. Dabei beschränken sich die katastrophale Aspekte des Films ausschließlich auf das finanzielle Debakel, welches den Epos damals umgab. Als sich die Produzenten des Filmstudios United Artists, als Produktionspartner bis 1980 an allen Woody Allen- und James Bond-Filmen beteiligt, 1978 mit dem jungen Regisseur Michael Cimino über potenzielle neue Projekte unterhielten, konnte jedoch noch keiner etwas von der kommenden Katastrophe ahnen. Cimino hatte in dem Jahr Hollywood mit seiner Arbeit an „Die durch die Hölle gehen”, seinem zweiten Film, im Sturm erobert. Mit fünf gewonnenen Oscar-Statuen und vier weiteren Nominierungen kündigte das Vietnam-Drama die Ankunft Filmemachers für eine neue Generation an.
Ein Jahr später steckte Cimino mitten in den Dreharbeiten von „Heaven’s Gate“. Das Budget war auf $40 Millionen eskaliert, was den Film zum bis dorthin teuersten in der Geschichte Hollywoods machte, und die Aufnahmearbeiten hinkten mehrere Wochen hinter dem Drehplan hinterher. Dazu kam noch, dass Cimino eine fünf-stunden Version des Films ablieferte. In den Kinos nahm der Film in drastisch gekürzter- und somit unverständlicher Form nur $3 Millionen ein. United Artist sollte sich nie ganz von diesem Verlust erholen und verlor sowohl den Respekt als auch die Unterstützung der Filmindustrie. Doch war „Heaven’s Gate“, in seiner jetzigen 3 ½ Stunden Fassung, all dies Wert?
1890 in Johnson County, Wyoming. Das Land ist überschwemmt von Siedlern aus Osteuropa, die das kleine Städtchen zum boomen bringen. Für Ordnung sorgt der Marshall James Averill (Kris Kristofferson), der zwar aus einer reichen Familie kommt, sich aber aus der Liebe zur Freiheit und des einfachen Lebens in den Tiefen des Wilden Westens niedergelassen hat. Dazu hat sich Averill in die schöne Bordell-Betreiberin Ella Watson (Isabelle Huppert) verliebt. Doch das friedliche Leben in Johnson County nimmt plötzlich mit der Verkündigung einer Todesliste ein Ende. Die reichen Viehbarone des Landes wollen mit der Einwilligung des Gouverneurs eine Hetzjagd gegen 125 Immigranten, die sie des Viehdiebstahls verdächtigen, veranstalten.
Genauso wie Averill sich hier in das Land und die Menschen dieses kleinen Dorfes verliebt, so muss sich Cimino wohl in die Sets, Kostüme und Drehorte seines Films verschaut haben. Noch bevor wir überhaupt etwas von der anstehenden Gefahr zu sehen bekommen, verbringt der Film über eine Stunde damit, uns Leute und Orte vorzustellen. Man merkt also sofort, dass, Cimino und seinem Team bei diesem epischen Unterfangen Authentizität über allem anderen sehr wichtig war. Ganze Kleinstädte wurden für diesen Film errichtet, jeder Hintergrund-Schauspieler ist geschichtlich-akkurat gekleidet. Doch nicht nur visuell legt Cimino viel auf Authentizität, auch seine Figuren müssen ‘echt’ sein. Die erste halbe Stunde sehen wir einem jungen Averill bei seiner Abschlussfeier in der Harvard Universität zu, was die insgesamte Handlung nur tangential betrifft. Jedoch lernen wir hier unsere Hauptfigur erstmals genau kennen und erfahren mehr über seine Vergangenheit. Als Averill dann später im Film den Bewohnern von Johnson County beisteht, verstehen wir warum er sich zu diesen Leuten hingezogen fühlt.
Neben Ciminos Liebe zum Detail muss man im gleichen Maße auch die Kameraführung von Vilmos Zsigmond (“Unheimliche Begegnung der dritten Art”) loben. Seine Bilder etablieren den Film von Anfang an als einen Klassiker, dessen Aufnahmen von der Komposition und Beleuchtung anderen Meisterwerken wie „Der Pate“ in Nichts nachstehen. Besonders hervorragend schaffen es Cimino und Zsigmond neben großen Schlachten auch einfachere Szenen, wie das dörfliche Rollschuh-Tanzen, einfallsreich darzustellen. Schließlich kommt es bei Ciminos Historien-Epos vor allem auf diese kleineren Momente an, ein Merkmal eines tatsächlich gelungenen epischen Films.
Fazit: Nur mit einer solchen filmischen Leistung kann eine derartige finanzielle Panne gerechtfertigt werden. „Heaven’s Gate“ gehört neben „Cleopatra“ und „Ben-Hur“ zu den wohl epischten und teuersten Filmen Hollywoods und ist somit ein wichtiger und beeindruckender Teil Filmgeschichte.
Wertung: 8,5/10
Regisseur: Michael Cimino Drehbuch: Michael Cimino Schauspieler: Christopher Walken; Kris Kristofferson; John Hurt; Sam Waterston; Brad Dourif Erscheinungsjahr: 1980 Produktionsland: USA Länge: 219 Minuten