Statt „American Hustle“ sollte ja eigentlich „American Bullshit“ auf allen Postern und Plakaten in Städten um die Welt zu lesen sein. So stand der Titel des neuen Films von David O. Russell zumindest auf dem Cover des Drehbuchs geschrieben. „American Bullshit“ fasst dabei den Inhalt der Film-Handlung wirklich optimal zusammen. Es geht um eingebildete und eitle Leute, die im Sinne des American Dream auf den Schultern anderer stehen, um an die Spitze zu kommen. Zu einem Zeitpunkt im Film werden diese Menschen, vollkommen treffend, als „Bullshit Artists“ bezeichnet. Der Text von Autor Eric Singer landete 2010 auf der berühmten „Black List“, einer jährlichen Sammlung der besten, bislang unverfilmten Drehbücher Hollywoods. Singers Erzählung beeindruckte die Produzenten Charles Roven und Richard Suckle nicht nur wegen seines provokanten Titels, sondern vor allem durch seinen verspielten Umgang mit den wahren Begebenheiten der ABSCAM-FBI-Operation in den 70er Jahren. Roven und Suckle wollten für diesen Thriller „Argo“-Regisseur Ben Affleck hinter die Kamera stellen, doch der musste schon bald das Projekt verlassen. So kam David O. Russell, beflügelt von seinem „Silver Linings“-Erfolg, mit an Bord. Mit Russell veränderte sich nicht nur das Drehbuch, sondern auch der Filmtitel: Aus Bullshit wurde Hustle. Continue reading “American Hustle” – Kritik
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“Night on Earth” – Kritik
Warum faszinieren uns die dunkle Nacht und die frühen Morgenstunden so sehr? Richard Linklaters „Confusion – Sommer der Ausgeflippten“, George Lucas’ „American Graffiti”, Martin Scorseses „Die Zeit nach Mitternacht”, George A. Romeros „Die Nacht der lebenden Toten”… Unzählige Filmemacher haben sich mit dieser Tageszeit auseinandergesetzt, sich mit Kaffee vollgepumpt um diese magischen Stunden aufzuzeichnen. Vielleicht bevorzugen Regisseur ja einfach nur die Ruhe beim filmen, es gibt keine wartenden Fans und man muss sich nicht um Statisten kümmern. Oder es geht ihnen, wie nachtaktiv-Filmer Michael Mann („Heat“ & „Collateral“), um die einzigartigen ästhetischen Qualitäten der Nachtzeit. Bei Indie-Legende Jim Jarmusch („Mystery Train“ & „Ghost Dog – Der Weg des Samurai”) ist diese Faszination schnell verständlich. Er interessiert sich für die seltsamen Gestalten die einem zu solch späten Stunden über den Weg laufen. Seine Charaktere sind Fremde, unterschiedliche Menschen mit verschiedenen sozialen und nationalen Hintergründen, die aber in diesen wenigen Augenblicken vereint werden. Continue reading “Night on Earth” – Kritik
“Der Hobbit: Smaugs Einöde” – Kritik
„Ich werde den ‘Hobbit’ nicht verfilmen!“ Das waren die großen Worte von Peter Jackson, kurz nachdem er mit „Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs“ satte 11 Oscars, darunter bester Film und beste Regie, abräumte. Er raubte damit jedem einzelnen seiner Fans die Hoffnung irgendwann wieder in ‘Jacksonscher’ Machart nach Mittelerde reisen zu können. Doch nachdem der spanische Regisseur Guillermo del Toro („Pacific Rim“) überraschenderweise das Projekt verließ, stand die Realisierung des „Hobbits“ von Tolkien kurz vor dem Aus. Nach langen Verhandlungen lies sich schlussendlich doch Peter Jackson für die Umsetzung verpflichten und alle Anhänger brachen geradezu in einen Freudentaumel aus. Auch die Nachricht, dass der Neuseeländer den Stoff eines Buches auf ganze drei Filme strecken möchte, lies die Vorfreude nicht kleiner werden. Doch als „Der Hobbit – Eine Unerwartete Reise“ in den Kinos startete machte sich eine leise Ernüchterung breit. Eine langsame Inszenierung, technische Probleme und wenig Mittelerde-Feeling machten den ersten Prequel-Ausflug zu einer, im Vergleich zu der ursprünglichen „Herr der Ringe“-Trilogie, lahmen Nummer. Im zweiten Teil „Der Hobbit – Smaugs Einöde“ soll nun alles besser werden. Doch auch wenn Peter Jackson das Tempo deutlich anzieht und den Zuschauer nun schneller und eindrucksvoller (Smaug!) durch das Abenteuer der zwölf Zwerge und des Hobbits hetzt, stolpert und fällt er doch durch eine wirre Erzählweise der Geschichte, einer fehlenden Tiefe der Charaktere und erneut fragwürdigen Effekten die dem ganzen einen vollkommen herzlosen Touch verleihen. Continue reading “Der Hobbit: Smaugs Einöde” – Kritik
“Der Hobbit: Eine unerwartet Reise” – Kritik
“In einem Loch im Boden, da lebte ein Hobbit.”
Es scheint eine ungeschriebene Regel zu sein, dass sich jede Kritik zu Peter Jacksons „Der Hobbit: Eine Unerwartete Reise” zunächst mit der Entscheidung, drei Filme aus J.R.R. Tolkiens 300-Seiten-Buch zu machen, beschäftigen muss. Hinter dieser umstrittenen Verfilmungsmethode könnte zum einen ausschließlich nur kommerzielle Interessen liegen (man siehe hierzu auch „Harry Potter und die Heiligtuemer des Todes – Teil 1“ sowie „Twilight 4: Breaking Dawn – Bis(s) zum Ende der Nacht (Teil 1)”und „Die Tribute von Panem 3 – Flammender Zorn (Teil 1)“). Zum anderen möchte sich Jackson vielleicht nicht wieder so schnell von Mittelerde trennen, nachdem mit seiner „Herr der Ringe“-Trilogie er schon einen Großteil seines Lebens in dieser Welt verbracht hat. Fest steht, dass diese unerwartete Trilogie schon viele potenzielle Kinogänger abgeschreckt und verwirrt hat, schließlich erwartet man doch nach fast drei Stunden Laufspielzeit ein befriedigendes, finales Ende. Um diese Kinokassen-Spekulation, eine regelrechte Zumutung für die Fans des Buchs, zu gerechtfertigten, musste sich Jackson etwas wirklich besonderes einfallen lassen. Continue reading “Der Hobbit: Eine unerwartet Reise” – Kritik
“Sexy Beast” – Kritik
„Ich lasse dich nicht glücklich sein, warum sollte ich?“
Der Brite Ray Winstone hat sich mit Filmen wie „Nil by Mouth“, „Departed – Unter Feinden” und „44 Inch Chest” eine Karriere um sein Image als knallharter Typ aufgebaut. Selten spielt er den Helden der am Ende des Films seine Geliebte erobert und sich friedlich irgendwo niederlässt. Umso überraschender ist es also, dass wir in „Sexy Beast“ Ray Winstone sonnenbadend in einer neongelben Speedo-Badehose vorfinden. Der Mime gibt hier den Ex-Safe-Knacker Gary ‘Gal’ Dove, der sich von dem Verbrecherleben in eine spanische Villa zurückgezogen hat. Gal hat es, im Gegensatz zu Winstones anderen Charakteren, tatsächlich bis zu seinem Happy End geschafft. Er hat etliche Male sein Leben aufs Spiel gesetzt, hat mehrere Jahre im Gefängnis verbracht, und darf jetzt in der Sonne liegen. Winstone spielt jetzt eine schon fast satirische Version seines normalen Film-Personas. Verschwitzt und sonnenverbrannt stolpert er um seinen Pool herum, in Aussehen und Verhalten weit entfernt von seinen Gangster-Rollen. Als in dann ein herabfallender Steinbrocken um ein Haar genau verfehlt und in das Wasser zu seinen Füßen fällt, ist der Moment sowohl komödiantisch als auch Unheil verkünden. Continue reading “Sexy Beast” – Kritik
“The Town – Stadt ohne Gnade” – Kritik
Im Umfeld der Ostküstenmetropole Boston kreiert Ben Affleck („Argo“) als Regisseur, Hauptdarsteller und Drehbuchautor ein Katz und Maus Spiel zwischen Cops und Gangstern. Das kommt einem nicht erst seit „Departed – Unter Feinden“ bekannt vor.
Gleich zu Beginn von „The Town – Stadt ohne Gnade“ taucht der Zuschauer in einen bis ins Detail geplanten Banküberfall ein. Wer allerdings minutiös geplant mit Gentlemen-Kriminellen gleichsetzt, wird bereits nach wenigen Augenblicken eines Besseren belehrt. Schnelle Schnitte und Gewalt bringen einen, wie auch einer der Hauptcharaktere sogleich klar stellt, zügig auf Kurs. Continue reading “The Town – Stadt ohne Gnade” – Kritik
“Heaven’s Gate” – Kritik
Katastrophe und Meisterwerk. Eigentlich würde man ja meinen, dass diese zwei Beschreibungen einander ausschließen, aber trotzdem fallen diese Begriffe in Diskussionen um den Western-Film „Heaven’s Gate“ im perfekten Einklang. Dabei beschränken sich die katastrophale Aspekte des Films ausschließlich auf das finanzielle Debakel, welches den Epos damals umgab. Als sich die Produzenten des Filmstudios United Artists, als Produktionspartner bis 1980 an allen Woody Allen- und James Bond-Filmen beteiligt, 1978 mit dem jungen Regisseur Michael Cimino über potenzielle neue Projekte unterhielten, konnte jedoch noch keiner etwas von der kommenden Katastrophe ahnen. Cimino hatte in dem Jahr Hollywood mit seiner Arbeit an „Die durch die Hölle gehen”, seinem zweiten Film, im Sturm erobert. Mit fünf gewonnenen Oscar-Statuen und vier weiteren Nominierungen kündigte das Vietnam-Drama die Ankunft Filmemachers für eine neue Generation an. Continue reading “Heaven’s Gate” – Kritik
“Being John Malkovich” – Kritik
Spike Jonze („Adaptation“) entführt uns in eine fantastische Welt die mitten in urbaner Tristesse Wurzeln schlägt und sagenhafte Blüten treibt.
Das Leben; eine recht mühsame Aneinanderreihung trister Nebensächlichkeiten. Man kennt das ja. Im Büro nimmt der feiste Praktikant mal wieder den letzten Kaffee, zu Hause verschlafft der richtige Moment da man die Kondomverpackung nicht rechtzeitig aufbekommt – die muss man aufreißen wie eine Chipstüte. Oder aber man ist beispielsweise ein leidlich bis gänzlich erfolgloser Puppenspieler, wohnt mit seiner strohhaarigen Veterinärsfreundin, sowie einem Haufen Getier zusammen und fängt aus lauter Frustration einen Job als Buchhalter mit besonderen Fingerfertigkeiten im 7 ½ Stockwerk eines irren Karottensaftrinkers an. Continue reading “Being John Malkovich” – Kritik
“Hereafter – Das Leben danach” – Kritik
Was passiert nachdem wir sterben? Diese Frage begleitet uns Menschen bereits seit Jahrhunderten und nicht nur die großen Weltreligionen meinen eine Antwort bereit zu haben. Doch egal ob Christ, Muslim, Buddhist oder Hinduist, die Angst vor dem Tod und die Unwissenheit was danach auf uns wartet ist allgegenwärtig. Grund genug für Regie-Veteran Clint Eastwood („Dirty Harry“) einen Film über das Leben danach zu machen. Nach Filmen wie „Mystic River“, „Million Dollar Baby“ und „Gran Torino“ wendet sich der Oscarpreisträger somit erneut einem lebensnahen und durchaus erschütterndem Thema hin. Der eingeschlagene Weg funktioniert erneut. „Hereafter – Das Leben danach“ ist ein markerschütterndes aber ebenso zu Tränen rührendes Drama ohne jeden Kitsch über die Frage nach dem Danach. Doch im Gegensatz zu seinen vorigen Filmen lässt Eastwood dieses mal sogar ein klein wenig Sonne am Ende des langen (Film-)Tunnels durchscheinen. Continue reading “Hereafter – Das Leben danach” – Kritik
“Inside WikiLeaks – Die fünfte Gewalt” – Kritik
„Der Mensch ist am wenigsten er selbst, wenn er für sich spricht. Gib ihm eine Maske, dann wird er dir die Wahrheit sagen.“
Trägt „Sherlock“-Star Benedict Cumberbatch für seine Rolle als Julian Assange in „Inside WikiLeaks – Die fünfte Gewalt” eine Maske, erzählt er uns die Wahrheit? Bei so genannten Biopics, Filmen die auf einer wahren Lebensgeschichte basieren, müssen sich Filmemacher immer eine schwierige Frage stellen: Sollte man in der Erzählung objektiv bleiben und so die Schwächen des Protagonisten zur Schau stellen, oder legt man das Leben des Helden unter das Kosmetik-Messer und rechtfertigt dies anhand kreativer Freiheit. So ein Verfahren kann zwar übergreifen die Handlung verbessern (jüngstes Beispiel: Steven Spielbergs „Lincoln“), doch oft bringt diese Manipulation den ganzen Film zum Fall (jüngstes Beispiel: Naomi Watts als „Diana“). Eines steht fest, egal ob integer oder korrupt, am Ende muss die Hauptfigur erinnerungswert sein. Und das ist Cumberbatchs Assange leider nicht. Continue reading “Inside WikiLeaks – Die fünfte Gewalt” – Kritik